Schotterwege, Höhenmeter, Bergpanorama: Gravelbiken am Seefelder Plateau in Tirol

Gravelbiken
Durch das wildromantische Hinterautal im Naturpark Karwendel zur Quelle der Isar  © Florian Breitenberger / Region Seefeld
Die Feldwege in der Region Seefeld sind wie gemacht für ausgedehnte Gravelbike Touren und dank ICE Bahnhof mit dem Zug sehr gut erreichbar.
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Durch das wildromantische Hinterautal im Naturpark Karwendel zur Quelle der Isar  © Florian Breitenberger / Region Seefeld

Brot und Butter, Topf und Deckel, Seefeld und Gravelbike – manche Beziehungen passen einfach. In letzterem Fall verbinden sich spektakuläre Landschaft und sportlicher Genuss zu einer neuen Liebe.

Doppelherz beim Gravelbiken in Seefeld

In Christophs Brust schlagen zwei Herzen: eines fürs Mountainbike. Und eines fürs Rennrad. Sein erstes Rennrad bekam er zur Firmung: ein gebrauchtes Motobécane mit sagenhaften zehn Gängen. In der Sturm-und-Drang-Phase musste es dann natürlich ein Bianchi in „Celeste“ – Spötter sagen: in „Klodeckelfarben“ – sein. Eine Liebe, die nie verwelken sollte. Aber wie das Leben so spielt. Irgendwann wird auch die kurvenreichste Passstraße fad, der babypopoglatte Asphalt verliert seinen Reiz.

Ende der Zweitausender wird dem damals Mitzwanziger klar: Was Neues muss her! Was Wildes. Was Abenteuerliches. Was Ungezügeltes. Also ein Mountainbike. Bei den Geländerädern ist naturgemäß alles grober, standfester, hemdsärmliger. Aber dafür fahren sie einen überall hin. „Zur Not trage ich mein Bike auch mal ‘ne halbe Stunde hoch zum Pass“, sagt der Münchner. Denn hinter dem Horizont geht’s weiter. Aber nur per Mountainbike. Christoph liebt beide, kann sich Samstagmorgen nie entscheiden: Rennrad oder Mountainbike?

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Halb Rennrad, halb Mountainbike: Beim Gravelbike wird das Beste aus beiden Fahrradtypen kombiniert. © Florian Breitenberger / Region Seefeld

Und dann zaubert die geschäftstüchtige Fahrradbranche eines schönen Tages das Schotterrad aus dem Hut. Da sich das nur mittelmäßig sexy anhört, nennen sie es neudeutsch Gravelbike. Das schönste Joint Venture seit Bonnie und Clyde. Ein Fahrrad, halb Rennrad, halb Mountainbike. Das Beste aus beiden Welten, vereint in einem Gefährt. „Genau davon habe ich mein halbes Radlerleben geträumt“, freut sich der 40-Jährige. Seine neue Liebe hört auf den Namen Scott und kommt in gefährlich-dunklem Teint daher. Rrr! Die Reifen sind mit 40 Millimetern eindeutig breiter als beim Rennrad. Aber auch bedeutend schmaler und weniger profiliert als beim Mountainbike. Federung? Fehlanzeige. Macht nix! Graveln bedeutet schließlich: ein bisschen Asphalt, sehr viel Schotter, nur ab und zu mal einen Wurzeltrail.

Seine Stärken spielt Christophs neue Liebe natürlich dort aus, wo die Anstiege moderat, die Fahrbahnen fein geschottert und die Runden abwechslungsreich sind. Wie zum Beispiel in der Region Seefeld, sozusagen Christophs zweiter Heimat kurz hinter der deutsch-österreichischen Grenze. Künstlername der Region auf dem Sonnenbalkon über Innsbruck: Tirols Hochplateau.

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Die Topographie des Seefelder Hochplateaus ist wie gemacht für ausgedehnte Gravelbike-Touren © Florian Breitenberger / Region Seefeld

Diese neue Liebe verbindet das Beste aus beiden Welten

Innsbrucks Olympia-Dependance von 1976 hat von Natur aus ein paar Trümpfe in der Hand, die beim Graveln immer stechen. Das Hochplateau auf 1200 Metern Höhe ist wie geschaffen für die Zwitter aus Rennrad und Mountainbike.

Die Dörfer rund um Seefeld verbindet ein dichtes Spinnennetz aus Schotter- und Wirtschaftswegen. Ein lustiges Auf und Ab, aber nie zu steil für die Gravelübersetzung. Eingerahmt wird die 3500-Seelen-Gemeinde und ihre Nachbarn Leutasch, Scharnitz, Reith und Mösern von gleich drei Gebirgen: Wetterstein im Norden, Mieminger Kette im Westen und Karwendel im Osten. In die sehr langen, aber auf keinem Zentimeter langweiligen Täler führen breite Fahrwege hinein. „Die eignen sich ideal fürs Graveln“, sagt Christoph. Wichtig für ihn: Boxenstopps für den gepflegten Einkehrschwung. Und da liefert die Region Seefeld eine Dichte an bewirtschafteten Almen und Hütten, die Ihresgleichen sucht.

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Die Wildmoosalm ist eine von vielen Einkehrmöglichkeiten in der Region Seefeld, die auch mit dem Gravelbike erreichbar ist. © Florian Breitenberger / Region Seefeld

Topografie und Kulinarik sind das eine, Infrastruktur und Verantwortung das andere. Seefeld ist perfekt ans internationale Bahnnetz zwischen München und Innsbruck angeschlossen und hat den höchstgelegenen ICE-Bahnhof Europas. Wer wie Christoph dieses Wochenende von München zum Graveln nach Seefeld will, nimmt natürlich den Zug. Das schont Nerven und Natur.

Dass Seefeld in Sachen Fünf-Sterne-Angebot österreichweit weit vorne liegt, interessiert den 40-Jährigen eher peripher. Viel mehr interessieren ihn die beiden kommenden Radtage. „Am Samstag kombinieren wir zwei kleinere Gravelrunden zu einer“, erzählt er seiner Freundin Julia. Zur Orientierung und Akklimatisation. Und am Sonntag wollen die beiden dann zum Ursprung. Aber schön der Reihe nach!

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Unweit der Jausenstation Kastenalm im Hinterautal befindet sich der Isar Ursprung.  © Florian Breitenberger / Region Seefeld

Nimm zwei: erst um den Wildmoossee, danach um die Arnspitze

Wer als gestresster 180-Volt-Urbanizer zu wenig Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens hat, muss Prioritäten setzen. Und effektiv kurzurlauben. Also entscheiden Christoph und Julia, zwei kleine Einsteigertouren zu einer tagesfüllenden 48-Kilometer-Runde zu kombinieren. Wichtig für Fußballfan Christoph: Zum Anpfiff um halb vier muss er wieder im Hotelzimmer sein. „Und ich im Spa!“, sagt Julia und lacht. Also um halb acht raus aus den Federn, nach einem reichhaltigen Frühstück rauf aufs Gravelbike und raus aus Seefeld!

Vorbei am bekannten Seekirchl geht’s mit überraschendem Highspeed über den Brunschkopf samt seiner Aussichtsplattform hoch ins hügelige Wildmoos, genauer gesagt zum Lotten- und Wildmoossee. Die schmalen Reifen schnurren dabei über den feinen Schotter wie das Nutellamesser übers Butterbrot. Runter in die Leutasch sausen die beiden mit richtig Karacho. Anders als bei klassischen Rennrädern verzögern an modernen Gravelbikes keine windigen Felgenbremsen, sondern standfeste Scheibenbremsen. Vorbei die Zeiten, in denen es ein Glücksspiel war, ob man in der Kurve geradeaus fährt oder doch noch den Dreh kriegt.

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Der Abstecher zur Aussichtsplattform auf dem Brunschkopf ist schweißtreibend, aber die Mühe lohnt sich. © Florian Breitenberger / Region Seefeld

Graveln bergauf: Auf moderaten Anstiegen fliegt man förmlich durch die Landschaft gen Himmel. Dem Gewicht um die zehn Kilo, den schmalen Reifen und dem ungefederten Fahrwerk sei Dank. Erst wenn es steil und steinig wird, kommt man an seine Grenzen. Graveln bergab: Auf Asphalt und feinem Schotter flitzt man rennradähnlich gen Tal. Mit Rennradlenker und Untergriff muss man aber Obacht geben, sich nicht vom Speedrausch bedüdeln zu lassen.

Daher sollten sich Gravel-Novizen mit Hirn an die höheren Weihen herantasten. Nach dem Downhill vom Wildmoossee in die Leutasch zeigt Christophs Tacho stramme 60 km/h. Aber er hat auch zwei Jahrzehnte Rennrad- und Mountainbikeerfahrung.

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Hier kommt die Rennrad-Komponente der Gravelbikes voll zum Tragen: Auf dem feinen Asphalt in der Leutasch.  © Florian Breitenberger / Region Seefeld

Wer wie die beiden mit Warp drei die Adrenalinwelle surft, braucht nach dem Runterkommen zweierlei: Essen und Trinken. Das gelingt am leckersten bei Wirtin Sonja im Leutascher Klammstüberl. Der Kaiserschmarrn: kulinarischer Höhepunkt einer an landschaftlichen Highlights reichen Runde. Mahlzeit!

Herz ohne Schmerz: von Seefeld tief ins Herz des Karwendel

Neuer Tag, neues Schotterglück! An diesem Sommersonntag wollen Julia und Christoph zum Ursprung. Zwar nicht zum Ursprung der Welt. Oder zum Ursprung allen Lebens. Aber immerhin zum Ursprung der Isar. Die entspringt tief im Karwendel, im malerischen Hinterautal. Um dorthin zu gelangen, müssen die beiden Münchner erst einmal von Seefeld nach Scharnitz kurbeln. Was mit dem Gravelbike aber in einer guten halben Stunde gelingt, ohne den Puls über die 110er Marke zu treiben. Auch die 14 Kilometer und 300 Höhenmeter hinauf zum Ursprung bringen weder Mensch noch Maschine an die Grenzen. Den Weg säumen Hundertschaften von Steinmännern. Sommerfrischler allen Alters tiefenentspannen entlang des lustig gurgelnden Wildbaches. „Kanada mitten in Tirol“, sagt Julia und gönnt ihren Füßen eine Wasserkühlung der erfrischendsten Art.

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Die westlichen Karwendeltäler werden manchmal auch als Klein-Kanada Tirols bezeichnet. © Florian Breitenberger / Region Seefeld

Schier senkrechte Kalkwände – Birkkarspitze im Norden und Großer Lafatscher im Süden – überragen die junge Isar um eineinhalb Kilometer. Da bleibt den Hauptstädtern schier die Luft weg. End- und Höhepunkt heute: die urige Kastenalm. Wer höher hinaus will, braucht ein Mountainbike. Oder noch besser: ein E-Mountainbike. „Damit kurbelst du locker hoch bis zum Karwendelhaus“, erzählt Christoph. Und seine Augen leuchten. Apropos E: „Hast du schon vom neuesten Trend gehört?“, will er von Julia wissen. „E-Gravelbikes! Damit fliegst du förmlich bergauf. Und bergab knackst du die 70er Marke.“ Ein Gravelbike mit Elektromotor – das reinste Doppelherz!

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In den Karwendeltälern ist die Landschaft eher rau und schroff. Im Wildmoos dagegen ist sie sanft und lieblich.  © Florian Breitenberger / Region Seefeld

Weitere Informationen

Mehr Details zum Gravelbiken in der Region Seefeld findet Ihr hier.

Text: HPR / Anton Rieger

Bilder: Florian Breitenberger / Region Seefeld

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