
Seit Jahren zählen die Britischen Inseln zu den Trailcenter-Paradiesen der Welt. Nur Irland hielt sich lange Zeit zurück. Doch die grüne Insel holt auf: Fünf Trailcenter gibt es bereits, und die Regierung hat weitere Kilometer in Auftrag gegeben.
Mountainbiken in Irland ist einzigartig
Sattgrüne Natur, schroffe Steilküste, melancholische Menschen und vor allem: Ruhe. Das war jedenfalls unsere Vorstellung von Irland bisher. Doch nun sitzen wir hier mit Tobi in einem Pub in Temple Bar, dem Ausgehviertel von Dublin, und lassen vor Staunen fast unser Guinness schal werden: Livemusik dudelt und wummert durch die kopfsteingepflasterten Gassen, an jeder Ecke tanzende Menschen, vom Hippie bis zum Schlipsträger, bunte Lichter überall. Ben, unser Guide, grinst über unsere aufgerissenen Augen und prostet uns mit seinem Pint zu: „Das wird nicht die letzte Überraschung für euch sein. Wartet erstmal unsere Trailcenter ab.“

Tatsächlich war es Ben, der uns zu diesem Roadtrip durch sein Heimatland überredet hat. Wobei wir uns auch nicht lang bitten ließen, schließlich sind die Britischen Inseln bekannt für ihre Bike-Begeisterung und Trail-Baukunst. Allein Irland – etwas größer als Bayern – kann mittlerweile fünf kapitale Trailcenter mit kilometerlangen Spaßnetzen vorweisen. Doch leider ist das Land eben auch für seine vier Jahreszeiten bekannt, die sich hier jeden Tag über einem ausschütten sollen. Daher haben wir es bisher leider nie mit einem Besuch geschafft. Doch jetzt ist es soweit: wenigstens drei dieser Topspots wollen wir endlich erleben.

Ticknock Mountain: Vom Forstgebiet zum Mountainbike-Hotspot Irlands
Hochsommer strahlt am nächsten Morgen über dem Ticknock Mountain, dem Hausberg Dublins. Dort kennt Ben jeden Stein und jeden Baum, denn das Haus in dem er aufgewachsen ist, liegt nur ein paar Hundert Meter Luftlinie entfernt. Den Einstieg zu den Trails markiert ein zum Biker-Cafe umfunktioniertes Tiny House. Daneben eine Plakatwand mit Trail-Karte. Biker sind hier willkommen, das ist mal klar. Allerdings war das nicht immer so. „Früher war der Berg eine einzige Forstwirtschaft”, erinnert sich Ben an seine Kindheit. „Da wurde einfach nur abgeholzt, sonst war nichts erlaubt.“ Doch gerade das Verbotene hatte natürlich seinen Reiz: „Für uns Jugendliche war das damals ein großer Abenteuerspielplatz. Der Trail da vorne war zum Beispiel früher unser Fluchtweg vor den Rangern.“

Heute bitten uns Schilder auf diesen ehemaligen Fluchtwegen zum Tanz. Wobei das Parkett des „Barn Stormer” doch eher grob ausfällt: Teils felsig, dann wieder erdig dreht sich der Pfad in engen Kurven durch eine Art Märchenwald aus uralten Fichten. Stufen, Serpentinen, Wurzelteppiche – und das ist erst der Uphill-Trail! Die Extraportion Schub aus unserem Minimal-Assist-Aggregat macht’s aber irgendwie möglich. Dass es auch geschmeidiger geht, sehen wir an Ben.
Auf den Trails mit dem Trailbauer
Der Ire legt sein Bike in die Kurven, lupft es die Stufen hinauf und wählt dabei zielsicher immer den passenden Gang. Ausbremsen lässt er sich nur von Bikern, die wir unterwegs antreffen. Ben ist hier bekannt wie ein bunter Hund und hält für ein kurzes Schwätzchen gerne mal an. Am höchsten Punkt der Runde wechseln wir auf den „After Burner”, der sich in der ersten Sektion als waschechter Downhilltrack entpuppt. Ein paar Kids mit Vollvisierhelmen und großen Federwegen lassen Ben, aber auch uns, den Vortritt. Wir vertrauen auf die Linie unseres Guides und folgen ihm über kantige Felsplatten, Drops und durch Steilkurven. Am Ende scheint auch Tobi froh um ein paar Minuten Entspannung auf dem nächsten Schotterpisten-Uphill.

Der führt uns wieder hinauf in baumfreies, aussichtsreiches Gelände. Rötliches Abendlicht streicht bereits über Dublin und macht den Namen der abschließenden Abfahrt zum Programm: Der Trail heißt Skyline.

„Wie im Bilderbuch“, entfährt es Tobi, als wir ein paar Tage später vom höchsten Punkt des Ballinastoe Trailcenters von oben auf den Lake Guinness blicken. Pechschwarz liegt der See da, umrahmt von sattgrünen Hügeln und am Horizont bricht die Küste der Grafschaft Wicklow in den Atlantik ab.
An unserer Seite der Mann, ohne den Irland in Sachen Mountainbiken ein weißer Fleck auf der Landkarte wäre: Niall Davis, Singlespeed-Weltmeister, ehemaliger Cross-Country- und Downhill Worldcup-Racer und Trail-Bauer aus Passion.
Vor ein paar Jahren holte Niall die EWS (World Enduro Series) nach Irland und entfachte damit staatliches Interesse am Bikesport. Daraufhin wurde Niall von der Forstbehörde beauftragt, eine Infrastruktur für Mountainbiker zu entwickeln und das ließ er sich nicht zwei Mal sagen: die fünf Trail Center Irlands – alles sein Werk.

Trails und Mountainbike-Action in Wicklow
„Der See da unten heißt eigentlich Lough Tay”, sagt Niall und zeigt auf das dunkle Gewässer unter uns. „Aber jeder sagt Guinness Lake. Zum einen wegen seiner Farbe, aber vor allem, weil das ganze Land drumrum der Familie Guinness gehört.” Man habe sogar tonnenweise weißen Sand ans Seeufer gekarrt, um den Schaum zu simulieren. „Aber ob das stimmt, weiß keiner ganz genau“, lacht Niall, während er sein Bike downhill-fertig macht.

Die Abfahrt ist ein Paradebeispiel dafür, wie viel Trail-Spaß man aus gerade mal 400 Höhenmetern rausholen kann. Gespickt mit dutzenden Sprüngen und Steilkurven zieht der „Pump & Grin“ schier endlos durch skurril gerodete Wälder, bevor er unter dem Namen „Holts“ in einen dichten und mit mannshohem Farn ausgestopften Wald eintaucht. Wir probieren auch die Kombination aus „Dark Loam“ und „Holts“, weil die mit ihren steil abbrechenden Wurzel-Drops und engen Felspassagen noch mehr Konzentration erfordert.
Und weil uns diese Abfahrt auch noch nicht aus dem Sattel wirft, qualifizieren wir uns sogar für den tiefschwarz gekennzeichneten Trail „Junkers“. Nach dessen Doubles und anschließender Rumpelei durch den Wald winken wir dankend ab, als Niall noch einen Schwierigkeitsnachschlag anbietet.

Am Abend sind wir fix und fertig, haben aber nicht annähernd alle Routen dieses Trailcenters geschafft – schade, aber wir sind für morgen schon im Coolaney Trailcenter verabredet und müssen das ein andermal nachholen.

Über dem Wild Atlantic Way
Auf fünf Millionen Iren kommen acht Millionen Schafe. Einen Großteil von letzteren bekommen wir am nächsten Morgen auf den gut 200 Kilometern Richtung Westküste zu Gesicht. Grasend stehen sie bis zum Straßenrand und sind Teil der Postkartenlandschaft. „Blackface Mountain Sheep“ heißt die Rasse mit dem markant schwarzen Gesicht.
Aber die Tiere sind nicht die einzige Augenweide. Wir passieren aus Stein gebaute Dörfer, weite Moorlandschaften und Burgruinen. All das noch immer bei Hochsommer. Die viel beschworenen anderen drei Jahreszeiten am Tag- haben sich noch immer nicht gezeigt. Das beschert uns auch im Coolaney Trailcenter eine Weitsicht, wie man sie hier wohl selten hat. Unter uns die Bucht von Ballysadare. Rechts der sagenumwobene Tafelberg und Wahrzeichen der Stadt Sligo „Ben Bulben“. Dahinter die Atlantikküste.

Hier verläuft auch der „Wild Atlantic Way“, mit 2500 Kilometern eine der längsten Küstenstraßen der Welt. Deutlich kürzer, aber nicht weniger spektakulär zeigen sich die neu angelegten Mountainbike-Trails hoch über Coolaney. Immer mit spektakulärem Blick auf die Küste, haben die lokalen Trail-Bauer Cian, Brian und Kyle dem Torfboden kilometerlange Trail-Achterbahnen – im wahrsten Sinne – abgerungen. Pro Kilometer schaufeln die Jungs hier etwa einen Monat lang. Doch knapp 20 Trail- Kilometer hat Trail-Trio bisher schon geschafft. Und in den nächsten zwei Jahren soll nochmal soviel dazu kommen.

Pubs gibt es in Irland wie Sand am Meer, das haben wir inzwischen gelernt. Doch keiner davon könne es mit der Thomas-Conolly-Bar aufnehmen, sagt Ben. Also machen wir südwestlich der nordirischen Grenze noch einen kleinen Abstecher in die Stadt Sligo. Hier wartet die gerade zur besten Whiskey-Bar Irlands gekürte Kneipe, in der sich bis unter die Decke Hunderte erlesene Whiskey-Sorten in altehrwürdigen Holzregalen stapeln. Ben kennt nicht nur den Barmann, sondern kann zu fast jeder Flasche eine irische Besonderheit erzählen. So kommt heraus, dass er vor seiner Sportkarriere als Bar-Manager im Dubliner Nachtleben gearbeitet hat. Nicht nur das Land, auch die Leute hier sind gut für so manche Überraschung.

Weitere Informationen
Die Anreise mit dem Flugzeug ist easy. Lufthansa, Aer Lingus und Ryanair bieten täglich mehrere Flüge an. Direktflüge nach Dublin gibt es von Frankfurt am Main, Berlin, München, Düsseldorf und Hamburg. Alternativ fahren regelmäßig Auto- und Passagierfähren von Frankreich, England und Wales nach Irland. Hier noch ein wichtiger Hinweis: E-Bikes dürfen im Flugzeug nur ohne Akku transportiert werden!

Infos Irland Trailcenter
Trailcenter in Irland sind ausschließlich für Biker angelegt. Die Trails werden permanent in Stand gehalten. Trotzdem ist die Benutzung kostenfrei. Alle Trail-Runden sind komplett ausgeschildert. Große Karten am Trailhead geben einen guten Überblick. Man fährt up- und downhill auf Singletrails, für manche Uphills können auch Forstwege genutzt werden. Alle Trails sind nach Schwierigkeit klassifiziert und finden sich auch auf Trailforks.com
Ticknock: Insgesamt 22 reine Singletrail-Kilometer mit tollem Blick auf Dublin. Das Trailcenter bietet Verleih, Guiding und Techniktrainings an. Es gibt außerdem ein Trail-Café, Servicestation, Reparaturservice und Bikewash-Station. Weitere Infos & E-Bike-Verleih hier.
Coolaney: Das Trail Center bietet 39 km aufwändig angelegte Singletrail-Touren aller Schwierigkeitsstufen. Spaßige Sprünge und sonstige Features. Einen Parkplatz für Biker gibt es, aber keine Infrastruktur direkt am Trailhead. Infos hier.
Ballinastoe: Das Trail-Netzwerk umfasst 28 Kilometer reine Singletrails. Es gibt auch eine Jumpline und mehrere Enduro-Strecken. Das Trailcenter bietet Verleih, Guiding und Techniktrainings an. Außerdem: Trail-Café, Servicestation, Reparaturservice und Bikewash-Station. Weitere Infos & E-Bike-Verleih hier.
Ballyhoura: Das erste Trail-Zentrum Irlands verfügt über mehr als 50 Trail-Kilometer. Die Touren sind beschildert, es gibt eine Bikewash- Station.
Slieve Blooms: Insgesamt knapp 50 Kilometer Mountainbike-Trails mit Ausgangspunkten in Kinnitty und Baunreagh. Das Slieve Bloom Mountain Bike Centre bietet Guiding und Techniktraining.

Unterkünfte in Irland
Die Iren sind bekannt für ihre Gastfreundschaft. Wer das erleben möchte, wählt am besten ein Bed & Breakfast.
Ticknock und Ballinastoe lassen sich gut von einer Unterkunft in Dublin aus besuchen. Stadt- und Meerblick vereint zum Beispiel das Royal Marine Hotel.
Im Trailcenter Coolaney empfiehlt sich eine Unterkunft in Sligo. Zentral gelegen ist dort beispielsweise das The Glasshouse.
Text: Markus Greber / HPR // Bilder: © Markus Greber
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