
Für die einen sind die Walserdörfer Warth und Schröcken die ruhige Seite des Arlbergs. Für die anderen die wilde. Stichwort Canyoning. Wir, zwei Väter Mitte vierzig, probieren den feucht-fröhlichen Schluchtenspaß mit den Kleinen aus – auf einer außergewöhnlichen Abenteuertour.
Canyoning am Arlberg: Das ultimative Abenteuer für Familien

Wenn die sommerliche Schwüle wie ein gusseiserner Deckel über der Stadt liegt, sehnt sich der „Homo Metropolis“ nach sommerlicher Abkühlung. Weit weg von Stau, Stress und Sektempfang. Raus aus dem Hamsterrad und rein in die unberührte Natur. Das wäre es! Dabei liegt das Gute so nah. Zum Beispiel im Bregenzerwald. Genauer gesagt: die Walserdörfer Warth und Schröcken. Keine drei Autostunden von uns in München entfernt. Von Stuttgart aus ist man nur eine halbe Stunde länger unterwegs zum schnellen Kurzurlaubsglück.

Und genau dorthin soll unser Wochenendausflug führen. Einmal im Jahr unternehmen wir gemeinsam etwas Sportliches. Diesmal sind auch unsere Kinder mit dabei. Die haben auch dringend eine Abkühlung vom Schul- und Social-Media-Stress nötig. Und von der Pubertät bzw. Vorpubertät. Also rein in den Van und ab nach Schröcken zum Canyoning.
Schröcken hat die Ausfahrt in Richtung alpiner Größenwahn und Fünf-Sterne-Superior glatt verpasst. Hierher verirrt man sich nicht, hierher kommt man ganz bewusst. Vom Bregenzerwald oder durchs Lechtal.
Schröcken ist ein jahrhundertealtes Walserdorf, hat also Gene, die bis ins Wallis in den Westalpen reichen. Die Walser waren schon immer zweierlei: hart, aber herzlich. Bodenständig, aber ohne Scheuklappen. Traditionsbewusst, aber offen für Neues. So hat sich Schröcken – wie auch Warth auf der anderen Seite des Hochtannbergpasses – seinen ganz eigenen Charme bewahrt. Was sie trennt: Wenige Einwohner. Schröcken hat etwas mehr als 200 Einwohner, Warth etwas weniger.

Hardrock-Tour in Warth-Schröcken: Das perfekte Canyoning-Erlebnis für Familien
Jürgen Strolz ist Gelegenheits-Naturbursche. Er ist bei jeder Gelegenheit in der Natur. Eigentlich schon sein halbes Leben. Seit knapp 30 Jahren lebt der 54-Jährige vom Outdoor-Business. Von seiner Basis, dem „Holzschopf“ in Schröcken, aus unternimmt er zum Beispiel mit Schulklassen Naturtouren, bei denen garantiert keiner sein Handy vermisst. Im Winter ist er Skiguide und geht mit seinen Gästen im legendären Arlberger Powder Tiefschneetauchen.
Doch jetzt ist Hochsommer – und wir schweben ein. Für unsere Großstadtkids muss es schon ein ganz besonderes Erlebnis sein. Etwas, das die Härte aus einem herauskitzelt. Das sich kalt und feucht auf der Haut anfühlt. Und was sich vor allem gut anhört: Hardrock. Richtig gelesen! „Hardrock ist eine meiner absoluten Lieblingstouren“, sagt Jürgen und lacht mit kehligem Vorarlberger Dialekt. „Du gehst vom Holzschopf einfach über die Straße – und schon bist du mitten in der Schlucht.“ Und dort warten fast ein Dutzend Wasserfälle. „Der kleinste ist etwa zehn Meter hoch, der größte 40 Meter.“ Das kühlt den Mut ganz schön ab. Das Tolle an dieser Canyoning-Tour ist aber, dass der harte Fels kinderleicht anfängt und mit jedem Meter, den man tiefer steigt, klettert, abseilt und springt, schwieriger wird. „Das ist natürlich ideal für Familien mit Kindern“, sagt der Canyoningführer.

Mit kleinen Kindern kann man nur den ersten Abschnitt machen, mit Jugendlichen dann den zweiten und dritten. Und die Unerschrockenen, die allen Mut zusammennehmen, machen Hardrock I bis IV. Na also!

Unsere Kinder sind jedenfalls schon ganz aufgeregt. Schließlich ist das heute ihre erste Canyoningtour überhaupt. Wir Super-Daddys verbreiten demonstrativ Zuversicht, werden dann aber immer einsilbiger, wenn wir uns in die Neoprenanzüge zwängen. Gut, dass Jürgen die Stimmung auf Olympia-Niveau hält. Apropos Olympia: Das Nachbardorf Warth hat, wie gesagt keine 200 Einwohner. Drei davon haben eine Olympiamedaille zu Hause hängen. Und zwei davon, Hubert und Johannes (Vater und Sohn), heißen Strolz. Genau wie Jürgen. „Wir sind wahrscheinlich verwandt“, sagt er lachend. „Aber nicht so eng, dass wir damit angeben würden.“ Diese Walser!

Canyoning mit Kindern: Sicherer Spaß mit Profi-Guide in Warth-Schröcken
Los geht’s! Damit niemand frieren muss, schlüpfen alle in einen Neoprenanzug. „Das Wasser zwischen Haut und Neopren erwärmt sich und du kannst locker drei Stunden im eiskalten Bach bleiben“, beruhigt Jürgen die Kinder. Und die kichern vor Vergnügen. Gerade Kinder frieren sehr schnell und leicht, und dann wird aus Spaß schnell Ernst. Deshalb sind dicke Neos Pflicht. „Wir rechnen bei dieser Tour mit zwei bis drei Stunden Action im Canyon“, sagt Jürgen. „Aber bei manchen Anfängergruppen dauert es schon mal eine Stunde, bis sich alle in den Neo gequetscht haben.“ Sagt er und lacht herzerfrischend walserisch.

Und damit keiner weint, gibt’s nach der Einkleidung das Wort zum Sonntag. Will heißen: Jürgen erklärt uns vier Wasserratten ganz genau, was wir tun und lassen sollen. Grundregel Nummer eins: Sicherheit geht im Canyon immer vor. Was Jürgen sagt, ist Gesetz. Und keiner kennt den Schröckbach besser als er. Grundregel Nummer zwei: Spaß haben! Und der beginnt quasi vor der Haustür des Holzschopfs – auf der anderen Straßenseite. Kürzer als hier kann der Weg zum gluckernden Glück nicht sein.
„Achtung! Arschbombe!“ Jürgen hebt aufmunternd den Daumen – und ich lasse es im wahrsten Sinne des Wortes krachen. Das motiviert auch die anderen. „Das Tolle an dieser Schluchttour ist, dass man sich oft direkt in den Wasserfall abseilt“, sagt der Profi. „Da spürt man die gewaltige Kraft des Wassers. Und man hat das Gefühl, mitten in der Wildnis zu sein.“ Dabei liegt die Straße nur 50 Meter weiter oben. Aber unerreichbar im senkrechten Riss. „Hardrock besteht aus vier Abschnitten“, erklärt der Guide. „Nach jeder Sektion gibt es eine Ausstiegsmöglichkeit. So sind wir flexibel und können jedem sein optimales Erlebnis bieten. Alle zufrieden? Wir heben den Daumen. Und weiter geht’s bergab.

Grande Finale: 40 Meter Nervenkitzel beim Familien-Canyoning
Was haben Hardrock I bis IV” und Der weiße Hai” gemeinsam? Ganz einfach: Sie werden von Minute zu Minute spannender. Hat man beim ersten Abseilen durch den Wasserfall noch heimlich ins Höschen gemacht (was im Schröckbach nicht weiter auffällt), wird man mit jedem bestandenen Abenteuer lockerer. Arschbombe? Auch ohne Haribo ein Heidenspaß für die Magengegend! Auf dem Hosenboden über den glatten Fels in die nächste Gumpe rutschen? Klappt auch auf einer Pobacke! Wasserfallduschen, zehn Meter über dem Bach? Eine der leichtesten Übungen für uns vier. Aber man soll die Tour nicht vor dem Ende loben. „Bereit für die ultimative Mutprobe?“, fragt Jürgen betont beiläufig. Und muss selbst fast lachen, als uns das Lächeln leicht gefriert. „Am Ende wartet ein 40 Meter hoher Wasserfall“, sagt der Guide. „Mit einer 20 Meter langen Abseilstelle.“ Schluck. Grande Finale. Kneifen verboten. Also Arschbacken zusammen, tief durchatmen und runter!

Zehn Minuten später ist es geschafft. Das letzte Abenteuer mit Bravour bestanden. Und alle sind gefühlte drei Zentimeter größer vor Stolz. Jetzt heißt es: Abklatschen, raus aus der Schlucht und rauf auf die Straße. Eine Viertelstunde später stehen wir schon wieder am Holzschopf. Alle freuen sich wie die Schnitzel auf die heiße Dusche. Und auf die Einkehr im Holzschopf. „Und nächsten Sommer machen wir den Rest der BIG5“, beschließen wir und klatschen. BIG5 heißen die fünf Action-Abenteuer rund um Warth-Schröcken: der Familienklettersteig am Karhorn, der Flying Fox von Nesslegg nach Heimboden, der Hochseilgarten im Abenteuerpark Schröcken, das Wildwasserschwimmen zwischen Lech und Warth – und natürlich Hardrock I bis IV!

Text: HPR / Anton Rieger // Fotos: © Warth-Schröcken Tourismus / Sebastian Stiphout
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