
Auf der ruhigen Seite des Arlbergs rund um die beiden Walserdörfer Warth und Schröcken kann man das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden: E-Bike & Hike! Eines der Top-Ziele für Gipfelstürmer mit Elektro-Rückenwind und Wanderschuhen ist die einsame, aber aussichtsreiche Juppenspitze.
Reine Aussichtssache: Eine Wanderung mit E-Bike in Warth-Schröcken
Obacht Kieferstarre-Gefahr! Dieser Rundblick ist zum Niederknien. In jeder Himmelsrichtung ein anderes Gebirge: Im Norden die Allgäuer Alpen. Im Süden das Lechquellengebirge. Im Osten die Lechtaler Alpen. Und im Westen der Bregenzerwald. Genau gegenüber stemmt sich die Mohnenfluh 2.542 Meter hoch in den Himmel: keck, kantig und unknackbar. Zumindest scheinbar. Wow, dachte ich, als Tina rief: „Guck mal da unten!“ 800 Meter – und fast senkrecht unter ihr – glitzert der Körbersee in der Nachmittagssonne. Und ich weiß: „Seit 2017 ist er offiziell vom ORF zu einem der schönsten Naturplätze Österreichs gekürt worden.“ Was gibt es Schöneres, als zur rechten Zeit „Angeberwissen“ zu haben! Aber das 360-Gipfelpanorama beeindruckt Tina dann doch ein bisschen mehr als der glitzernde Bergsee da unten.

Beliebtes Fotomotiv: Der berühmte Körbersee von oben betrachtet. © Florian Breitenberger / Warth-Schröcken Tourismus
Der richtige Zeitpunkt für eine gepflegte E-Bike & Hike-Tour? Immer dann, wenn die Großstadt irgendwas zwischen bullenheiß und kochtopfschwül ist. Dann zeigt das Thermometer hier oben in Warth-Schröcken zehn, fünfzehn Grad weniger an als daheim im Stuttgarter Kessel. Im Sommer geht doch nichts über Sommerfrische auf 1.500 Metern und mehr! Und wenn die Gewitterwahrscheinlichkeit wie an diesem Augustwochenende gegen Null tendiert, heißt es für uns: Sattelt die Pferde! Oder noch besser: die E-Bikes. Und düst mit eingebautem Rückenwind hinauf ins alpine Backcountry des Arlberg – ins Reich von Gams und Steinadler. Tinas und mein Plan für diesen Hochsommersamstag: An einem Tag mit dem E-Bike und zu Fuß hinauf auf die Juppenspitze. Ein ambitionierter, aber machbarer Traum – auch für uns zwei Großstädter aus dem Schwabenländle.

Wanderung mit E-Bike Unterstützung hinauf bis 2.412 Meter
Los geht der alpine Gipfelsturm in Schröcken. Für die einen ist das Dorf eine Jahrhunderte alte Walsersiedlung, für die anderen ein Boutiquedorf fernab von Fünf-Sterne-Superior-Overkill und alpinem Größenwahn. Schröcken hat sich – genauso wie sein Nachbar Warth – einen ganz eigenen Bergdorf-Charme bewahren können. Was beide verbindet: das Erbe der Walser und Ruhe in einer grandiosen Berglandschaft. Gemeinsam haben die beiden Dörfer knapp 400 Einwohner. Was hier oben an Manpower fehlen mag, macht die Naturgewalt mehr als wett. Karhorn, Braunarlspitze, Mohnenfluh, Großer Widderstein – hier streben noch echte Charakterköpfe unvermittelt aus dem Grün in den Arlberger Himmel. Apropos Grün: Wo andernorts in den Alpen längst Latschen oder gar Felsen dominieren, werden Bergradler und -steiger bis weit über die Zweitausendermarke von saftig-grünen Bergwiesen begleitet.

Warth-Schröcken, eingebettet zwischen Bregenzerwald und Arlberg weit über die rot-weiß-roten Grenzen hinaus bekannt für sein eigenes Mikroklima: im Winter das rekordverdächtige Schneeloch der Alpen, im Sommer die Sommerfrische abseits der Massen. So auch für Tina und mich. Wir lieben den Gipfelsturm per Pedes. Aber genauso lieben wir das E-Biken. Das E-MTB eröffnet uns Bergsteigern völlig neue Perspektiven, denke ich. Du kannst damit kombinierte Gipfeltouren an einem Tag unternehmen, für die du früher zwei Tage und eine Hüttenübernachtung gebraucht hättest. Touren wie auf die Juppenspitze sind für uns überhaupt erst mit dem E-MTB möglich. Denn zwischen Schröcken und dem Gipfel sucht man vergeblich nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Samstag frühmorgens los in Stuttgart, am frühen Nachmittag auf dem Gipfel, vor dem Abendessen noch schnell in den Pool und sonntags dann entspanntes Wohlfühlprogramm – das war Tinas Traum-Wochenende.

Die Gegend rund um Warth-Schröcken ist Arlberg für Fortgeschrittene
Zurück auf Start: Die Turmuhr der winzigen Dorfkirche von Schröcken schlägt neun Mal, als Tina und ich an diesem Augustsamstag zum ersten Mal in die Pedale treten. „Genial, wie dieses Bike anschiebt“, denke ich und grinse. Mit so viel Elektropower und im Turbo-Modus sausen wir die 400 Höhenmeter durch den Fellkessel hinauf zum Auenfeldsattel. In gerade mal 20 Minuten. „Mit normalem Bike wäre ich jetzt schon streichzart“, meint Tina lachend. So aber spart sie wertvolle Energie für die weitere Auffahrt. Den Körbersee, lassen wir fast schon ein bisschen arrogant links liegen. Denn wir sind für Höheres bestimmt: den Gipfel. Aber anstatt ultrasteil gen Himmel zu ziehen, führt der fein geschotterte Fahrweg erst einmal bretteben über den Auenfeldsattel. Den kennen wir vom Winter. Schließlich ist Warth-Schröcken das absolute Lieblingsskigebiet von uns. Und beim Wort „Auenfeldjet“ bekommen wir glasige Augen, denn dieser Lift verbindet seit 2013 das kleine, aber megafeine Freeride-Mekka mit dem Rest vom Arlberg. „Weißt du noch, wie wir letzten Februar an einem Tag von Warth bis St. Anton und zurückgefahren sind?“, fragt Tina. Ich nicke weise. Und denke an meine müden Oberschenkel nach dieser Mega-Skisafari. Dem Auenfeldjet sei’s gedankt.

Der perfekte Bike & Hike Samstag: früh los, früh am Gipfel, früh im Pool
Aber keine Zeit für Nostalgie! Wer auf so einer großen Tour wie heute trödelt, der verliert. Und wer hier oben, im Quellgebiet der Bregenzerach, schnurstracks weiterradelt, kommt im mondänen Alpin-Chic von Lech raus. Tina und ich wenden uns am Auenfeldsattel gen Südwesten, hinauf zur Unteren Gaisbühelalpe. Hier macht Tina Schluss. Nicht mit mir, sondern mit dem Bergradeln. Und ersetzt das B durch ein H. Schluss mit Biken, auf geht‘s zum Hiken.

„Da oben sieht man schon die Scharte zwischen Mohnenfluh und Juppenspitze“, sage ich und zeige mit einer Geste gen Westen. „Links Mohnenfluh, rechts Juppenspitze.“ Ein Teufelskerl von einem Navigator, denkt sich Tina und schlappt los. Schlappe 600 Höhenmeter liegen vor uns. „Das sollten wir in eineinhalb Stunden schaffen“, dachte ich optimistisch. Also E-Bikes absperren und los geht’s! Zwei Stunden später klatschen wir ans Gipfelkreuz an der Juppenspitze. Das Gelände war doch ein wenig steiler, die Wiesenhänge doch ein bisschen wegloser, die finale Felskraxelei doch etwas felsiger als erwartet. Aber drauf gepfiffen! Endlich oben! 2.412 Meter über den Dingen. Und 2.167 Meter über Stuttgart. Dieser Rundblick ist zum Niederknien.

Der Abstieg nach Warth-Schröcken vergeht wie im Flug
Der Rest ist schnell erzählt: Runter geht’s für Tina und mich auf bekanntem Weg hinab zu den E-Mountainbikes, die wir in der Nähe der Unteren Gaisbühelalpe gebunkert haben. „Zurück nach Schröcken auf gleichem Weg?“, fragt Tina und will schon losradeln. Aber ich bremse und schlage noch einen Schlenker vom Auenfeldsattel hinauf zum Salobersattel vor. „Oh menno!“ Tina freut sich schon so auf den finalen Einkehrschwung im „Holzschopf“ in Schröcken. Und auf den Wellnessnachmittag im Hotel. Aber sie ergibt sich ihrem Schicksal – und sollte es nicht bereuen. Denn spätnachmittags leuchtet der Körbersee – nun von der anderen Seite und nur 400 Meter weiter unten – wie ein Smaragd mitten in der Blumenwiese. Eine zehnminütige rauschende Forststraßenabfahrt später erreichen wir den Hochtannbergpass, den natürlichen Ringrichter zwischen Schröcken auf der einen und Warth auf der anderen Seite. „Nächsten Sommer nehmen wir uns die anderen sechs der Seven Summits von Schröcken vor!“, schlage ich mit einem Zwinkern vor. Ich weiß genau, dass nicht alle Schröckener Hausbergriesen auf kraftsparende Art und Weise wie die Juppenspitze mit dem E-Mountainbike bezwungen werden können.

Weitere Informationen
Mehr Details zum Bike & Hike in der Region Warth-Schröcken findet Ihr hier.
Text: HPR / Anton Rieger // Bilder: © Florian Breitenberger / Warth-Schröcken Tourismus
Weiteres Reisethema auf Outdoor Elements: Naturpark Ammergauer Alpen: Weitwandern auf dem Meditationsweg.